Stockwerkeigentum: Wie wehren wir uns gegen einen Miteigentümer, der sich an keine Regeln und Abmachungen hält?

Wir sind eine Stockwerkeigentums-Gemeinschaft mit acht Parteien. Der Eigentümer der Parterrewohnung hält sich praktisch nicht ans Reglement: Er gestaltet seinen Gartensitzplatz um, ohne Zustimmung der anderen: Er pflanzt Bäume, auch zahlt er verspätet die Nebenkosten. Wie können wir uns gegen diesen Miteigentümer wehren?

Generell gilt es festzuhalten, dass der Boden eines in Stockwerkeigentum aufgeteilten Grundstücks zwingend zu den gemeinschaftlichen Teilen (Art. 712b Abs. 2 Ziff. 1 ZGB) und somit allen Stockwerkeigentümern gemeinsam gehört. Am Grund und Boden kann kein Sonderrecht begründet werden, selbst wenn sich alle Stockwerkeigentümer darin einig wären. So sind der Garten oder Teile davon (inkl. aller fest mit dem Boden verbundenen Pflanzen) im Miteigentum aller Eigentümer gemeinsam. Möglich ist jedoch, dass einzelnen Stockwerkeigentümern ein Gartensitzplatz zu ihrer alleinigen Nutzung (nicht Eigentum!) überlassen wird. Sie erhalten daran ein ausschliessliches Nutzungsrecht, auch Sondernutzungsrecht genannt (Art. 712g Abs. 4 ZGB).

Mangels gesetzlicher Umschreibung des Inhalts des ausschliesslichen Nutzungsrechts und der damit verbundenen Rechte und Pflichten empfiehlt es sich, im Interesse der Stockwerkeigentümer und um allfälligen Streitereien vorzubeugen, dieses im Reglement möglichst präzise und klar zu umschreiben. Gibt das Reglement keine Auskunft über den Inhalt des zuerkannten Sondernutzungsrechts, so muss sein Umfang aus dessen Funktion abgeleitet werden. Seinem Zweck entsprechend dient der Garten der Ruhe und Erholung, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Nutzungsbefugnisse eines Sondernutzungsberechtigten weniger weit gehen, als dies beim Sonderrecht der Fall ist. So sind das Aufstellen von Blumentöpfen, Gartenmöbeln und Sonnenschirm sowie die Benützung eines mobilen Grills erlaubt. Jegliche gestalterischen Eingriffe und Substanzveränderungen hingegen, wie vorliegend das Anpflanzen (und auch das Entfernen!) von Bäumen und Sträuchern oder das Errichten einer Pergola, aber auch das Umgraben des Rasens zwecks Anlegen von Beeten oder zwecks Ersatz durch einen anderen Belag (z.B. Kies oder Platten), die Erweiterung oder Verkleinerung des Gartensitzplatzes, die Installation eines festverankerten Swimmingpools, das Anlegen eines Biotops, die Erstellung eines Gartenhäuschens sowie jegliche Einzäunung (Hecke oder Zaun) sind ohne ausdrückliche Zustimmung (Zustimmung der Mehrheit der anwesenden und vertretenen Stockwerkeigentümer, die zugleich über mehr als die Hälfte aller Wertquoten verfügen) der Gemeinschaft verboten .

Gegen eigenmächtige Veränderungen eines Stockwerkeigentümers kann sich die Gemeinschaft wehren und die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands auf Kosten des Sondernutzungsberechtigten verlangen (z.B. die Entfernung der angepflanzten Bäume, der Pergola oder die Ersatzanpflanzung eines zu Unrecht gefällten Baums).

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19. Juli 2022 Luzerner Zeitung (lic.iur. Stefan Baer)