Die Bauabnahme und ihre Bedeutung im Bauprozess

Nicht jeder Riss oder jedes unschöne Fugenbild stellt einen Mangel dar. Bei rechtlich anerkannten Mängeln handelt es sich ausschliesslich um Abweichungen vom vertraglichen Vereinbarten, sprich vereinbarte, zugesicherte oder als selbstverständlich vorausgesetzte Eigenschaften liegen nicht vor. Wurde die SIA-Norm 118 (allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten) vereinbart, liegt ein Mangel dann vor, wenn die Tauglichkeit des Werkes für den vertraglich vorausgesetzten oder ortsüblichen Gebrauch fehlt. Ist dies der Fall, erwachsen der Bauherrschaft daraus bei fehlenden Ausschlussgründen oder fehlender Verjährung werkvertragliche Gewährleistungsrechte. Der Bauabnahme kommt deshalb eine wichtige Rolle im gesamten Bauprozess zu, da mit dem Tag der Abnahme u.a. die Rügefrist zu laufen beginnt.

Korrekte Bauabnahme gemäss SIA-Norm 118

Die Anwendung der SIA-Norm 118 ist bei Neubauten zwar mittlerweile Standard, muss aber im Vertrag explizit vereinbart werden. Da die Bauherrschaft gemäss den Bestimmungen der SIA Norm 118 wesentlich bessergestellt ist, empfiehlt es sich, unbedingt die Anwendung dieses Regelwerks vertraglich zu vereinbaren. Wichtig ist, dass anlässlich der Abnahme sämtliche Mängel im Abnahmeprotokoll festgehalten werden. Wird ein Mangel im Protokoll nicht aufgeführt, obwohl er erkennbar gewesen wäre, kann dieser Mangel später nicht mehr geltend gemacht werden. Falls es strittig ist, ob es sich um einen Mangel handelt oder nicht, liegt die Beweislast gemäss SIA-Norm 118 während der zweijährigen Rügefrist (Garantiefrist) beim Unternehmer.

Rügefristen und Gewährleistungsrechte

Mit dem Tag der Abnahme beginnt für das Werk eine zweijährige Rügefrist an zu laufen, während derer Mängel aller Art jederzeit gerügt werden können. Mit Ablauf der zweijährigen Rügefrist erlischt das Recht der Bauherrschaft, vorher entdeckte Mängel zu rügen. Hingegen bleiben die Rechte aus bereits gerügten Mängeln unter Vorbehalt der Verjährung fortbestehen. Mängel hingegen, die schon während der Rügefrist offensichtlich waren, gelten als vor deren Ablauf entdeckt, weshalb sie nach Ablauf der Frist nicht mehr gerügt werden können. Danach dauert die Rügefrist weitere drei Jahre für verdeckte Mängel, während derer jedoch sofort (innert 7 Tagen) nach Entdeckung gerügt werden muss. Fünf Jahre nach Werkabnahme verjähren dann sämtliche Mängelrechte. Mängel hingegen, die der Unternehmer absichtlich verschwiegen hat, verjähren erst nach 10 Jahren. Falls das Obligationenrecht zur Anwendung kommt und es sich um ein fest mit dem Boden verbundenes Bauwerk handelt oder ein bewegliches Werk bestimmungsgemäss in ein unbewegliches Werk integriert wurde, beträgt die Gewährleistungsfrist fünf Jahre. Bei einem beweglichen Werk beträgt die Garantiefrist zwei Jahre nach Abnahme. In beiden Fällen muss jeder erkannte Mangel sofort gerügt werden. Wenn Mängel festgestellt werden, stehen der Bauherrschaft gemäss SIA-Norm 118 zunächst einzig das Recht auf Nachbesserung zu. Erst wenn der Unternehmer innerhalb der angesetzten Frist die Mängel nicht behebt, stehen ihr die Rechte auf Ersatzvornahme, auf Wandelung (Rücktritt), auf Minderung (Herabsetzung der Forderung) oder Schadenersatz zur Verfügung. Da eine vollständige Bauabnahme sowie eine korrekte Mängelrüge für die Bauherrschaft nicht immer einfach sind, empfiehlt es sich, rechtzeitig einen unabhängigen Experten dafür beizuziehen. Weitere Informationen entnehmen Sie unserem Merkblatt zu den Bauabnahmen.

27.03.2024, Stefan Baer