Recht auf Kündigung des Mietvertrags – Auswahl möglicher Kündigungsgründe

Auswahl mögliche Kündigungsgründe seitens der Vermieterschaft aus der Praxis unter Bezugnahme auf die geltende bundesgerichtliche und kantonale Rechtsprechung

 

  1. Muss ein Kündigungsgrund überhaupt angegeben werden?

Im aktuellen Zeitungsartikel «Recht auf Kündigung des Mietvertrags» (Nr. 19/2020) wurde festgestellt, dass eine ordentliche Kündigung des Mietvertrags keine besonderen Kündigungsgründe voraussetzt. Die Mieterschaft und Vermieterschaft sind grundsätzlich frei, das (unbefristete) Mietverhältnis unter Einhaltung der vertraglichen oder gesetzlichen Fristen und Termine zu kündigen (Art. 266a OR). Eine Schranke hingegen ergibt sich einzig aus dem Grundsatz von Treu und Glauben: Bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen ist die Kündigung anfechtbar, wenn sie gegen diesen Grundsatz verstösst (Art. 271 Abs. 1 OR; Art. 271a OR). Allgemein gilt eine Kündigung als treuwidrig, wenn sie ohne objektives, ernsthaftes und schützenswertes Interesse und damit aus reiner Schikane erfolgt oder Interessen der Parteien tangiert, die in einem krassen Missverhältnis zueinanderstehen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bedarf eine ordentliche Kündigung keiner Begründung, um gültig zu sein (BGE 143 III 344; BGE 125 III 231 E. 4b). Das Gesetz bestimmt nicht, bis wann die Gründe für eine ordentliche Kündigung vorgebracht werden können. Insbesondere schreibt es nicht vor, dass dies innert einer bestimmten Frist nach dem Ersuchen der Mieterschaft um Begründung oder spätestens im Schlichtungsverfahren erfolgen müsse. Kündigungsgründe könnten somit grundsätzlich auch noch im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren vorgebracht werden. Unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchsverbots schliesst das Gesetz selbst ein späteres Nachschieben zusätzlicher Gründe nicht aus. Ein solches Nachschieben kann hingegen als ein Indiz zu Ungunsten der kündigenden Vermieterschaft gewertet werden. Eine mangelnde und fehlerhafte Begründung führt damit nicht automatisch zur Treuwidrigkeit der Kündigung, kann allerdings ein Indiz dafür sein, dass an der Kündigung kein schützenswertes Interesse besteht. Insbesondere wenn der angegebene Kündigungsgrund bloss vorgeschoben und zugleich der wahre Grund nicht feststellbar ist, ist ohne Weiteres von einer Treuwidrigkeit auszugehen (BGE 138 III 59 E. 2.1; BGE 132 III 737 E. 3.4.2). Aus diesen Gründen sollte durch die kündigende Vermieterschaft der Kündigungsgrund bereits auf dem Kündigungsformular des Kantons bekanntgegeben werden. Im Folgenden werden ein paar Kündigungsgründe aus Sicht der Vermieterschaft aufgezeigt, welche in der Schweizerischen Rechtspraxis existieren.

 

  1. Kündigung wegen geplanter Sanierung der Liegenschaft

Der Vermieterschaft als Eigentümerin ist es grundsätzlich freigestellt, wann und wie sie die Liegenschaft unterhalten möchte (BGE 135 III 112). Schliesslich ist sie auch verpflichtet, die Liegenschaft regelmässig zu unterhalten. Sie darf die von der geplanten Sanierung betroffenen Mietverhältnisse ohne weiteres kündigen, wenn die Vornahme der geplanten Arbeiten durch ein weiteres Verbleiben der Mieterschaft im Mietobjekt erschwert oder verzögert würde. Dabei setzt das Bundesgericht eine Erschwernis oder Verzögerung voraus, die zumindest nicht als unerheblich bezeichnet werden kann (BGE 142 III 91; BGE 140 III 496; BGE 135 III 112). Grenzen werden hier durch die höchstrichterliche Rechtsprechung insofern gesetzt, indem das Projekt der Vermieterschaft realitätsnah und objektiv möglich sein muss (BGE 140 III 496). Dies ist das Projekt bspw. dann nicht, wenn es ganz offensichtlich mit Bestimmungen des öffentlichen Rechts unvereinbar ist, so dass die Vermieterschaft die notwendigen Bewilligungen mit Sicherheit nicht erhalten wird. In einem solche Fall fehlt es seitens der Vermieterschaft an einem schützenswerten Interesse. Der Nachweis der objektiven Unmöglichkeit obliegt dabei aber der Mieterschaft (Urteil des Bundesgerichts 4A_210/2014 vom 17. Juli 2014). Die Gültigkeit der Kündigung setzt nicht voraus, dass die Vermieterschaft bereits die nötigen Bewilligungen erhalten oder die hierzu erforderlichen Dokumente hinterlegt hat, nicht einmal, dass sie bereits eine Baueingabe gemacht hat (BGE 142 III 91; BGE 140 III 496). Die Gültigkeit der Kündigung setzt aber voraus, dass die Vermieterschaft im Zeitpunkt der Kündigung des Mietverhältnisses über ein genügend ausgereiftes und ausgearbeitetes Projekt verfügt, aufgrund dessen die Mieterschaft abschätzen kann, ob die geplanten Arbeiten eine Räumung des Mietobjekts erforderlich machen. Eine Kündigung wegen umfassender Sanierungsarbeiten verstösst immer dann gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn es unmöglich ist, den Umfang der geplanten Arbeiten festzustellen und zu bestimmen, ob eine Räumung der Liegenschaft durch die Mieter notwendig ist (BGE 140 III 496; BGE 4A_425/2009 vom 11. November 2009 ).

 

  1. Kündigung wegen geplantem Abriss der Liegenschaft sowie Neubau

Wie soeben festgestellt, hat die Vermieterschaft ein schützenswertes Interesse daran, frei über ihr Eigentum verfügen zu können. Dazu gehört auch, dass sie das Mietobjekt abbrechen darf, um es durch ein neues Gebäude zu ersetzen. Dabei setzen die soeben erwähnten Kriterien des objektiven, ernsthaften und schützenswerten Interesses voraus, dass überhaupt ein entsprechendes Projekt vorliegt und dieses objektiv auch realisierbar ist (BGE  4A_503/2013 vom 5. März 2014; BGE 4A_726/2012 vom 30. April 2013).

 

  1. Kündigung wegen Eigenbedarfs

Die Vermieterschaft hat das Recht, Mietverträge von Häusern und Wohnungen aufgrund von Eigenbedarf für sich selbst, für Verwandte und für Verschwägerte zu kündigen. Eigenbedarf setzt aber voraus, dass die Vermieterschaft ernsthafte, nach den Umständen einleuchtende Gründe geltend machen kann, die vermieteten Räume für sich oder nahe Verwandte oder Verschwägerte zu beanspruchen (BGE 99 II 50). Ansonsten mangelt es ihr an einem schützenswerten Interesse. Als missbräuchlich erweist sich eine Kündigung wegen Eigenbedarfs beispielsweise dann, wenn kurz vor der Kündigung gleichwertige Wohnungen frei werden und diese ohne objektiven Grund nicht für den geltend gemachten Eigenbedarf genutzt werden (BGE 4A_383/2012 vom 9. Oktober 2012).

Der Eigenbedarf muss zudem konkret sowie aktuell und nicht bloss zukünftig oder rein hypothetisch sein. Das Gesetz umschreibt den Begriff der nahen Verwandten oder Verschwägerten nicht näher. Die Grenzziehung zwischen nahen und entfernten Verwandten/Verschwägerten ist daher als fliessen zu beachten. Abzustellen ist dabei nicht nur auf den Verwandtschaftsgrad alleine, sondern auf die konkrete Intensität der gegenseitigen Beziehung. Grundsätzlich ist der Eigenbedarf für Kinder, Enkel, Eltern, Geschwister und all deren Ehepartner, sowie für Nichten und Neffen ausgewiesen. Ein Beispiel für einen begründeten und plausiblen Eigenbedarf wäre beispielsweise, wenn die Nichte des Vermieters als Studentin eine günstige Studentenwohnung benötigt. Ein Grenzfall hingegen wäre beispielsweise der Freund der Tochter.

Als weitere Voraussetzung ist bei der Interessenabwägung im Rahmen einer allfälligen Mieterstreckung auch die Dringlichkeit des Eigenbedarfes zu berücksichtigen. Dringlichkeit ist hingegen nicht grundsätzliche Voraussetzung für die Geltendmachung eines Eigenbedarfes (BGE 118 II 50). Dringlichkeit ist immer dann anzunehmen, wenn die Vermieterschaft nachweisen kann, dass sie das Mietobjekt auf einen bestimmten Zeitpunkt hin benötigt, beispielsweise, weil ihr auf den erwähnten Zeitpunkt hin das bisher genutzte Mietverhältnis gekündigt worden ist oder weil sie aus dem Ausland zurückkehrt und eine Arbeitsstelle in der Nähe des benötigten Mietobjekts antreten wird.  Dringender Eigenbedarf setzt aber nicht eine Zwangs- oder gar Notlage der Vermieterschaft voraus, die ausschliesslich auf ihre Wohnverhältnisse zurückzuführen ist. Ein solcher Eigenbedarf ist vielmehr immer dann gegeben, wenn es der Vermieterschaft aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen nicht zuzumuten ist, auf die Benutzung des Mietobjektes zu verzichten.

 

  1. Kündigung zwecks Wiederherstellung des Hausfriedens

Es ist im Interesse der Vermieterschaft, dass sich ihre Mieter in ihrer Liegenschaft wohl fühlen. Ergeben sich gegenseitige Spannungen und Unverträglichkeiten zwischen bestimmten Mietparteien, darf sie zur Wiederherstellung des Hausfriedens sehr wohl Kündigungen aussprechen. Dabei obliegt es der Vermieterschaft zu entscheiden, mit welcher der betroffenen Mietpartei sie das Mietverhältnis fortführen möchte (Urteil des Obergerichts Zürich BG140014 vom 9. April 2015). Sie darf aber auch beiden Mietparteien kündigen (Urteil des Obergerichts Zürich UE130110 vom 25. März 2013). Die Vermieterschaft ist nicht verpflichtet, sofort zu handeln, wenn sie von einer Unverträglichkeit erfährt, ansonsten die langmütige Vermieterschaft schlechter gestellt wäre als die hart durchgreifende Vermieterschaft, welche bereits nach dem ersten unangenehmen Auftreten eines Mieters das Vertragsverhältnis beendet (BGE 4A_342/2007 vom 2. November 2007).

 

  1. Kündigung zur Erzielung eines höheren Ertrages

Wiederholt hat das Bundesgericht in der Vergangenheit bestätigt, dass es dem legitimen Interesse der Vermieterschaft entspricht, ihr Eigentum möglichst gewinnbringend zu vermieten. Folgerichtig erachtet es das Bundesgericht auch als grundsätzlich zulässig, einen Mietvertrag mit der Begründung zu kündigen, dass man von der neuen Mieterschaft einen höheren Ertrag erzielen könne (BGE 120 II 105; BGE 136 III 190). Damit erfüllt auch eine solche Kündigung die eingangs erwähnten Kriterien. Dieser Kündigungsgrund ist allerdings nur dann zulässig ist, wenn die Vermieterschaft nachweisen kann, dass der höhere, von einem Dritten zu erzielende Mietzins nicht missbräuchlich ist (BGE 4A_472/2007 vom 11. März 2008), da kein schützenswertes Interesse an der Erzielung eines missbräuchlichen Ertrages bestehen kann. Aufgrund dieses Kriteriums ist es eher schwierig, bei einer Anfechtung durch den Mieter mit diesem Kündigungsgrund erfolgreich vor Schlichtungsbehörde und Gericht zu bestehen, weshalb von dessen Verwendung eher abzuraten ist.

 

  1. Kündigung im Hinblick auf eine Neupositionierung des Mietobjektes

Die Vermieterschaft ist als Eigentümerin des Mietobjektes kann grundsätzlich frei darüber entscheiden, wie dieses genutzt werden soll. So ist sie berechtigt, ein Mietobjekt zur Nutzung als Restaurant oder für den Betrieb einer Arztpraxis zu vermieten. Sie ist hingegen nicht verpflichtet, diese Nutzung über die Dauer des jeweiligen Mietvertrages hinaus zu gewähren. Vielmehr steht es ihr frei, ihre Meinung betreffend die Nutzung des Mietobjektes während eines laufenden Mietverhältnisses zu ändern. Auch nach Auffassung des Bundesgerichts verletzt eine solche ordentliche Kündigung nicht den Grundsatz von Treu und Glauben (BGE 136 III 190). In selben Sinne ist es der Vermieterschaft auch gestattet, einem Ehepaar als Mieter einer grossen Wohnung, deren erwachsene Kinder ausgezogen sind, zu kündigen mit der Begründung, die Wohnung soll wieder einer Familie mit Kindern zur Verfügung gestellt werden (BGE 4A_414/2009 vom 9. Dezember 2009)

30.10.2020, lic. iur. Stefan Baer